Krankenhaus Rating Report 2017
Strukturfonds bringt Dynamik in deutsche Krankenhauslandschaft
Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser war im Jahr 2015 ein wenig schlechter als im Vorjahr. 9 Prozent lagen im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, die Ertragslage blieb praktisch unverändert. Der Krankenhausstrukturfonds hat bereits eine gewisse Dynamik zur Strukturoptimierung entfacht und wird gut angenommen. Bei nachweislich guten Ergebnissen sollte er über das Jahr 2018 hinaus fortgesetzt werden. Innovationen im Bereich der Digitalisierung und Robotik könnten helfen, den demografischen Wandel zu bewältigen und mit weniger werdendem Fachpersonal steigende Patientenzahlen zu versorgen. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die dreizehnte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der heute im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2017 – Medizin und Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Er wurde gemeinsam vom RWI und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit Deloitte erstellt.
Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr nur leicht verschlechtert. Sie war besser als 2012, das in jüngster Vergangenheit das schlechteste Jahr für Krankenhäuser war. 9 Prozent befanden sich 2015 im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, 12 Prozent im „gelben“ und 79 Prozent im „grünen Bereich“. Ihre Ertragslage blieb praktisch unverändert, auf Konzernebene schrieben 21 Prozent der Krankenhäuser einen Jahresverlust. Im Jahr 2015 waren zudem 63 Prozent der Kliniken investitionsfähig. Die Kapitalausstattung der Krankenhäuser ist jedoch noch immer unzureichend. Ihr jährlicher Investitionsbedarf (ohne Universitätskliniken) beläuft sich auf mindestens 5,4 Milliarden Euro. Da die Bundesländer im Jahr 2015 Fördermittel in Höhe von 2,8 Milliarden Euro zur Verfügung stellten, ergibt sich eine jährliche Förderlücke von mindestens 2,6 Milliarden Euro. Bezieht man den über die Jahre aufgebauten Investitionsstau ein, ist sie sogar noch höher.
Zu diesen Ergebnissen kommt der dreizehnte „Krankenhaus Rating Report“, den das RWI und die Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit Deloitte erstellt haben und dessen Ergebnisse im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2017 – Medizin und Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Der Report basiert auf einer Stichprobe von 506 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2014 und 201 Abschlüssen auf dem Jahr 2015. Sie umfassen insgesamt 877 Krankenhäuser.
Krankenhausstrukturfonds wird gut angenommen
In den ostdeutschen Bundesländern war die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser auch im Jahr 2015 wieder am besten. Am schwierigsten war sie in Bayern, Niedersachsen/Bremen, Hessen und Baden-Württemberg. Die Krankenhausstrukturen sind nach wie vor in einigen Regionen ungünstig, es gibt zu viele kleine Einrichtungen, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung. Allerdings hat der von 2016 bis 2018 eingesetzte Krankenhausstrukturfonds bereits eine gewisse Dynamik zur Strukturoptimierung entfacht und wird gut angenommen. Insgesamt entfallen 75 Prozent des Antragsvolumens auf Konzentrationsmaßnahmen und 22 Prozent auf Kapazitätsabbau.
„Es sollte grundsätzlich darüber nachgedacht werden, den Strukturfonds über das Jahr 2018 hinaus fortzuführen“, empfiehlt Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des RWI-Kompetenzbereichs „Gesundheit“. Allerdings seien die eingebrachten Anträge noch genauer zu evaluieren. Um eine ideale Krankenhausstruktur zu erreichen, sind insgesamt voraussichtlich rund 12 Milliarden Euro Investitionsmittel nötig. Bei einer Fortführung sollten die Mittel jedoch idealerweise aus Steuermitteln des Bundes mit Ko-Finanzierung der Länder kommen. Krankenhausträger sollten Anträge stellen können und die Verteilung der Mittel sollte nach einem bundesweit einheitlichen Kriterienkatalog erfolgen.
Erstmals weniger als 500 000 Betten in deutschen Krankenhäusern
Die Krankenhauskapazitäten haben sich gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert. Allerdings fiel die Zahl der Betten erstmals unter 500 000. Die Zahl der Krankenhäuser verringerte sich um 1,2 Prozent auf 1 956. Die durchschnittliche Verweildauer der Patientinnen und Patienten sank weiter auf 7,3 Tage. Das gesamte Leistungsvolumen (Casemixvolumen) der Krankenhäuser stieg 2015 um 1,5 Prozent, die Zahl der Krankenhausfälle nahm um 0,5 Prozent zu. Am stärksten stiegen die Fallzahlen zwischen 2012 und 2014 in mittelgroßen Krankenhäusern, in freigemeinnütziger Trägerschaft, in städtischen Gebieten und in Krankenhäusern mit höherer Patientenzufriedenheit.
Lohnniveaus variieren auf regionaler Ebene
Erstmals werden im „Krankenhaus Rating Report 2017“ Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 bis 2015 aufbereitet und auf diese Weise länger laufende Zeitreihen abgebildet. Dadurch können bereits entdeckte Zusammenhänge weiter statistisch untermauert werden. So bestätigt sich das gute Rating der ostdeutschen Kliniken und der größeren Krankenhäuser. Auch Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden signifikant besser ab als öffentlich-rechtliche und ein hoher Grad an Spezialisierung ist vorteilhaft sowohl für die wirtschaftliche Lage als auch für die Patientenzufriedenheit. Die Ländlichkeit alleine hat hingegen keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage. Interessanterweise schneiden Krankenhäuser, die an der Kalkulation der Fallpauschalen teilnehmen (sog. InEK-Kalkulationshäuser), leicht besser ab als andere.
In einer Sonderanalyse werden zudem gezielt die bundeslandspezifischen Unterschiede im Lohnniveau untersucht. Es zeigt sich, dass das Lohnniveau der medizinischen Dienste zwischen 10 Prozent unter und 5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt variiert. Dabei fällt die Variation im Ärztlichen Dienst deutlich geringer aus als im Pflege-, medizinisch-technischen und Funktionsdienst, wo der Arbeitsmarkt lokaler geprägt ist. So lag beispielsweise das Lohnniveau in den medizinischen Diensten in Baden-Württemberg im Jahr 2015 3,4 Prozent über dem Bundesdurchschnitt – und nach Bereinigung landesspezifischer Faktoren immer noch um 1,8 Prozent darüber.
Mit Digitalisierung dem demografischen Wandel begegnen
In den nächsten Jahren sind die geodemografische Entwicklung und die steigende Innovationsdichte zwei zentrale Trends in der Gesundheitsversorgung. Die Alterung der Gesellschaft wird zu mehr Patienten und überproportional steigenden Gesundheitsausgaben führen. Zudem sinkt mit der Zahl der jüngeren Menschen die der Erwerbspersonen. Als Folge dürfte die Finanzierungslücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung wachsen. Darüber hinaus wird die Zahl der Fachkräfte in allen Branchen sinken. Daher dürften die Lohnkosten stärker steigen als die Preise für Gesundheitsleistungen.
Um der zunehmenden Alterung der Gesellschaft entgegenzuwirken, sollte erstens die Nachfrage pro Kopf reduziert werden, beispielsweise durch Prävention, eine effektivere Patientensteuerung, mehr Versorgungsforschung und entsprechenden Anpassungen am Vergütungssystem. Zweitens sollte die Produktivität weiter gesteigert werden, zum Beispiel indem Strukturoptimierungen fortgeführt und integrierte Gesundheitszentren gebildet werden. Darüber hinaus sollten effizienzsteigernde Innovationen einen guten Zugang zum Gesundheitswesen erhalten und Investitionsmittel für effizienzsteigernde Maßnahme zur Verfügung gestellt werden. Besonders eine elektronische Patientenakte könnte sowohl nachfragemindernde als auch produktivitätssteigernde Effekte haben. Trotzdem dürften drittens mehr personelle und finanzielle Ressourcen benötigt werden. Hier könnte ein Zuwanderungsgesetz unterstützend wirken. Zudem gilt es, neue Berufsbilder zu schaffen, um die anstehenden Herausforderungen meistern zu können. Daneben sollte die Attraktivität des Pflegeberufs erhöht werden, beispielsweise durch attraktive Karrierepfade.
Zusammenfassend sollte eine Gesundheitsagenda 2025 für die nächsten zwei Legislaturperioden folgende Ziele verfolgen: eine nationale Modernisierungsstrategie (darunter Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Robotik, Assistenzsysteme, elektronische Patientenakte, Fernbehandlung), die Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung (insbesondere in der Notfallversorgung), die Sicherung des Fachkräfteangebots für das Gesundheitswesen, eine höhere Priorität für Investitionen und die Förderung der Souveränität und Eigenverantwortlichkeit der Patienten.